Kraftsport aus dem alten Zarenreich

Die Kettlebell, ist fast schon legendär. Sie soll wahre Wunderdinge im Bereich der Fitness bewirken und ist dabei einfach und preiswert. Über die USA kam sie aus Russland zu uns in die Kraftsport-Szene. Aber die Kugelhantel gibt es schon viel länger als man denkt.

Mit der Kettlebell habe ich auf einfache Art und Weise 2015 respektable 38 kg Körperfett in etwa sieben Monaten verloren. Wäre ich ein Berliner, würde ich folgendes Verslein über dieses famose Trainingsgerät dichten:

Koof Da eene Kettlebell,
Dann wirste los Dein Fett janz schnell!
Un nich nur det Fett alleene,
Ooch det Wasser inne Beene!

Die Geschichte der Kettlebell

Schon vor Jahren tauchte die Kettlebell bei uns in der Fitnessszene auf und wird auch heute noch hochgelobt. Allerdings ist diese Variante der Hantel alles andere als neu; sie hat nämlich eine Jahrhunderte alte Geschichte.

Kettlebell
Eisenkugeln mit Griff: So sehen Kettlebells aus (Bild: PxHere/Lizenz: PD)

Bereits in der Antike gab es die Vorväter des „Starken August“ vom Jahrmarkt. Schon damals produzierten sich Muskelmänner mit schweren Gewichten zur Volksbelustigung. Dabei wurden auch schon Gewichte mit Griffen verwendet – sozusagen also die Vorläufer der Kettlebell.

Der Brauch, dass Schausteller Kraftmeiereien mit schweren Gewichten vor Publikum vorführen, zieht sich durch die Jahrhunderte. Im zaristischen Russland zeigten Marktkaufleute auf den Märkten Kunststücke mit den Gewichten Ihrer Waagen. Zum Spaß, um die Wette und irgendwann dann auch für Geld.

Turner
Zum Turnen braucht man Kraft und daher war das Krafttraining für Turner von Anfang an wichtig und daher… (Bild: Historisch)

Bereits im 16. Jahrhundert hatte unter Iwan dem Schrecklichen eine Kampagne zur Standardisierung von Maßen und Gewichten begonnen. Um 1800 herum bekamen dann die Gewichte für die Waagen auf den Märkten die Kugelform, weil diese praktische Vorteile hat. Die Kettlebell in ihrer heutigen Form war geboren.

Die seltsame Abstufung der Gewichte bei diesem Trainingsgerät kommt von der alten russischen Gewichtseinheit Pud. Ein Pud hat etwas mehr als 16 kg und so ist die 16 kg-Kettlebell sozusagen der Standard. Größere und kleinere Gewichte gibt es in Abstufungen von 4 kg, also einem Viertel Pud: vier, acht, zwölf, sechszehn, zwanzig usw. Kilogramm. Manchmal gibt es auch Zwischengrößen wie etwa 6 kg.

Keine Kettlebell aber andere Gewichte
… waren Turner bereits in den alten Tagen recht muskulös wie hier der Turner Hoppenstedt aus der Bildergeschichte von den Folgen der Kraft von Wilhelm Busch (Bild: Wilhelm Busch)

Im Zirkus, beim Volks-und Militärsport

Die Kettlebell wurde bald nicht nur im Zirkus und auf Jahrmärkten, sondern auch im Volkssport verwendet. Bodybuilding kam nämlich nicht erst in den siebziger Jahren aus den USA zu uns, es war – natürlich nicht unter diesem Namen – zum Beispiel auch für die Turner der Bewegung von Turnvater Jahn ein wichtiger Bestandteil Ihres Trainingsprogramms. Zum Turnen braucht man Kraft und auch heute noch ist für Turner der Kraftraum Pflicht.

Dass die Übungen der Turner mit ihren Gewichten volkstümlich waren, zeigt Wilhelm Buschs köstliche Bildergeschichte vom Turner Hoppenstedt:

Mit kühnen Mut aus seinem Bett
Schwingt sich der Turner Hoppenstedt…

In den Abbildungen zu den ulkigen Versen sieht man zwar keine, dennoch war die Kettlebell damals unter dem Namen Rundgewicht ein gebräuchliches Trainingsgerät im Kraftsport.

Kettlebell: Eugen Sandow
Eugen Sandow, vermutlich der Vater des Bodybuildings: Auch er arbeitet bereits mit der Kettlebell und lehrte den Umgang mit ihr (Bild: Historisch)

Auch in Russland wurde das Hantieren mit der Kugelhantel zum Volkssport. Gyria (Mehrzahl gyri) heißt die Kettlebell im Russischen. Sie fand auch Eingang in den Militärsport. Warum, das lässt sich leicht nachvollziehen: Zum einen sind Kettlebells vielseitig und doch preisgünstig. Und man entwickelt mit ihnen funktionale Kraft, also solche, die sich auch praktisch anwenden lässt. Außerdem erreicht man mit ihnen viel mit relativ kurzen Trainingseinheiten. Schließlich haben Soldaten ja auch noch andere Dinge als nur Sport auf dem Dienstplan und brauchen Kraft, die sich beim Kampf und bei der Arbeit auch einsetzen lässt.

Die Kettlebell heute

Von der Roten Armee fand die Kugelhantel dann auch ihren Weg in den Militärsport anderer Länder des Warschauer Paktes. Wer zu DDR-Zeiten in der NVA gedient hat, dem ist sie altvertraut aus seiner Militärzeit.

Aus dem russischen Militärsport gelangte Sie auch in die USA. Pavel Tsatsouline, der nach eigenen Angaben zu Sowjetzeiten Trainer der Speznaz war, wanderte nach dem Zerfall der Sowjetunion in die USA aus. Dort vermarktete er das Training mit der Kettlebell geschickt und wurde so zum Kugelhantel-Guru. Und wie viele Dinge – gute und schlechte – gelangte die Eisenkugel mit dem Griff dran dann auch über den großen Teich nach Europa – wo sie ja eigentlich schon lange bekannt war.