Männerleben als Romanthema
Wie sollte ein Mann leben? Wie sollte er die Welt betrachten? Eine einfache und eindeutige Antwort gibt es da nicht. Man(n) wird sich Vorbilder suchen, sollte diese aber nicht sklavisch kopieren. Selbst hinterfragen, selbst denken, selbst seinen Weg als Mann finden. Dennoch können Bücher hier eine Hilfe sein, auch Romane, in denen es um Männer geht. Es gibt drei Bücher über Männer, die bei mir persönlich Kultstatus haben.
Ich habe in meinem Leben allerhand gelesen. Von Konsalik bis Nietzsche. Natürlich Tolkien, natürlich Bukowski und auch Hermann Hesse und sogar Victor Hugo. Ich hatte eine intensive Fantasy-Epoche. Alle möglichen Krimis – am liebsten Regionalkrimis – spielen eine große Rolle für mich. Und auch allerhand Bücher für Männer – wenn man das so nennen will.
Was sind Bücher für Männer?
Da gibt es natürlich Hemingway und den von ihm wohl stark beeinflussten Hunter S. Thompson. Uhrwerk Orange von Anthony Burgess handelt vordergründig von Männlichkeit, genauer männlicher Gewaltkriminalität. Tatsächlich geht es aber um Gesellschaft und Politik. Das habe ich aber erst kapiert, als ich den Film das zweite Mal sah. Und das Buch dazu habe ich auch gelesen.
„Der alte Mann und das Meer“ hat mich fasziniert. Ich habe mir diese Novelle als Hörbuch an einem Stück auf dem Hochsitz reingezogen. Das dauerte etwas länger als dieser Abendansitz. Am Schluss saß ich im Stockdunklen, aber ich wollte es komplett fertig hören. „Haben und nicht Haben“ habe ich als Teenager gelesen. Weil ich mitbekommen hatte, dass bei Hemingway Sauereien zu finden seien. Und das war das einzige Buch von Hemingway, dass bei uns im Bücherregal stand.
„Fear and Loathing in Las Vegas“ bekam ich in meinen Zwanzigern in die Finger – und natürlich, wie Bukowski auch, in den falschen Hals. Heute weiß ich: *Warnenden Zeigefinger ausklapp* An solchen Leuten sollte man(n) sich besser nicht orientieren. *Warnenden Zeigefinger wieder einklapp*.
In „Hells Angels“ kommen auch Männer vor. Welche, die nicht mal der Autor Hunter S. Thompson selbst toll findet. Übrigens kein Roman, sondern eher so etwas wie eine Reportage. Man könnte über die Dinge aus den Büchern von Charles Bukowski und Hunter S. Thompson auch mit Thomas Gottschalk sagen: „Kinder, macht das nicht zuhause nach!“
Sicherlich lassen sich noch viele Beispiele für Bücher finden, die sich mehr oder weniger um das Thema Mann oder Männlichkeit drehen. Und natürlich dürfen auch Frauen solche Bücher lesen, zum Beispiel, wenn sie wissen wollen wie Männer ticken. Und das gilt selbstverständlich auch für die drei Bücher für Männer, die ich hier kurz vorstellen werde.
Meine persönlichen Kultbücher
Es gibt also drei Bücher für Männer, die mich besonders faszinieren. Zwei davon spielen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das dritte spielt im 30-jährigen Krieg. Es sind sehr unterschiedliche Männer die darin vorkommen, aber sie haben eines gemeinsam: Sie gehen andere Wege als die breite Masse.
Da ist zum einen „Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis. In einer ähnlichen Zeit, nämlich zwischen den beiden Weltkriegen, spielt auch das zweite: „ Der Geliebte der großen Bärin“ von Sergiusz Piasecki. „Der Wehrwolf“ von Hermann Löns hingegen spielt im 30-jährigen Krieg.
Bücher für Männer: Alexis Sorbas
Mit wenigen Ausnahmen fallen die Verfilmungen von Romanen immer gegenüber dem jeweiligen Buch ab. Die Verfilmung von Alexis Sorbas mit Anthony Quinn ist ein Wahnsinnsfilm, der es wert ist, mehrfach angeschaut zu werden. Trotzdem wird er dem Buch nicht wirklich gerecht.
Der Film beschränkt sich nämlich hauptsächlich auf die äußere Geschichte, den Bau der Seilbahn, die nachher zusammenkracht. Es geht auch um die Gesellschaft des Dorfes und Probleme, die durch die traditionelle, kirchlich bestimmte Lebensweise entstehen. Das eigentliche Thema des Buches ist jedoch die Person des Alexis Sorbas und seine Weltanschauung. Der griechische Titel spricht auch von „Leben und Lebensart“ der Titelfigur. Mich hat letztendlich der Film auf das Buch gebracht und diese Reihenfolge ist durchaus o.k. Wirklich viel über das, was der Titelfigur im Kopf herum geht, erfährt man aber nur im Buch. Das sollte man also unbedingt auch lesen.
Die Romanfigur Alexis Sorbas hat ein reales Vorbild, einen Freund des Autors. Auch die äußere Handlung der Geschichte beruht zumindest zum Teil auf Erlebnissen des Schriftstellers. Alexis Sorbas hat seinen eigenen Kopf und geht seinen eigenen Weg. Ein Schlitzohr mit einem goldenen Herzen. Er macht Unfug, auch indem er geschäftliche Gelder verjubelt, steht aber trotzdem hinter dem Projekt seines Chefs, für das er angeheuert wurde.
Tiefe Gedanken
Äußerlich betrachtet hat Sorbas eine lockere Moral, liebt aber die Menschen und pfeift dabei auch auf Konventionen: Als die alte Kurtisane, mit der er ein Verhältnis hat, im Sterben liegt, klammert sie sich an die fixe Idee, wieder jung und schön zu werden wenn ihr Ex-Geliebten, die Admiräle, zurückkehren. Alexis lügt sie dreist an, indem er ihre Hoffnung bestätigt. Natürlich hat er gelogen, gibt er zu, aber so ist sie glücklich gestorben.
Alexis hat offenbar viel über das Leben nachgedacht und einiges für sich herausgefunden. Auch wenn er behauptet, dass er es nicht versteht. Und indem der Protagonist von ihm lernt, kann er den geschäftlichen Fehlschlag mit dem in die Hose gegangenen Seilbahn-Projekt verschmerzen: Er therapiert sich mit Tanzen, dass er sich von Alexis beibringen lässt.
Was man im Film nicht erfährt, sondern nur im Buch: Auf die alten Tage wird Alexis Sorbas – wie das reale Vorbild – noch ein wohlhabender Bergwerksbesitzer. Und als seine Zeit gekommen ist, stirbt er im Stehen. Auch über seine Philosophie sagt das Buch wesentlich mehr als der Film, nicht zuletzt in den Gesprächen zwischen Alexis und dem Protagonisten.
Nikos Kazantzakis
Alexis Sorbas
Piper Taschenbuch; 11. Edition (1. September 2001)
ISBN-10 : 3492232930
ISBN-13 : 978-3492232937
Bücher für Männer: Der Geliebte der großen Bärin
Sergiusz Piasecki hat dieses Buch in den 30er Jahren im Gefängnis geschrieben. Angeblich beruht es auch auf wahren Begebenheiten. Als er es schrieb, saß er aber nicht wegen Schmuggelei ein, sondern wegen Raubüberfall. Jedenfalls ist es ein feines Buch über Männer, ihre Handlungen und die Gedanken dahinter. Außerdem liest es sich prima.
Der Protagonist strandet in den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts irgendwo in der Gegend der Grenze zwischen Polen und der damals noch jungen Sowjetunion. Ein Kamerad aus der Militärzeit nimmt ihn mit zu sich in sein Dorf. Dieser Kamerad gehört zu einer Schmugglerbande, die alles mögliche in beide Richtungen über die Grenze schmuggeln.
Mit der Schmuggelei lässt sich ordentlich Geld verdienen. Vladek, so heißt der Protagonist, steigt bei seinem Kumpel ins Geschäft ein. Schon bald ist er gut angezogen, hat immer Geld in der Tasche und gibt es auch mit vollen Händen aus. Ständig wird gefressen und gesoffen und natürlich dürfen auch Frauengeschichten nicht fehlen.
Ein romantischer Schmuggler
Hinsichtlich der Liebe ist Vladek hin und her gerissen. Die ein paar Jahre ältere Bombina, eine durch Schmuggelgeschäfte wohlhabend gewordene Bäuerin, hat einen Narren an ihm gefressen. Bei ihr könnte er das schönste Leben haben. Ihn fasziniert aber die Schwester des ungekrönten Königs der Schmuggler, eine geheimnisvolle Schönheit, die von ihm jedoch verlangt, dass er sie heirate, wenn er mit ihr ins Bett will.
Vladek ist wohl ein wenig tiefsinniger als seine Kumpels. Die große Bärin, ursa major, das Sternbild des Großen Wagens, weist ihm den Weg nach Westen über die Grenze und nach Hause, wenn seine Schmugglergruppe durch „Feindberührung“ versprengt wird. Wenn sie an seiner rechten Seite zu sehen ist, stimmt die Richtung nach Hause. Den sieben Sternen, aus denen das Sternbild besteht, gibt er Mädchennamen und sinniert auch ansonsten recht gerne.
Dabei ist er aber alles andere als eine Spaßbremse. Bei den Vergnügungen der Schmuggler und auch bei ihren Späßen ist er voll dabei. Auch als ein Schmugglerkonkurrent ihm nach dem Leben trachtet, macht er sich nicht in die Hose, sondern handelt.
Zwischendurch hat Vladek auch Pech, wird von den sowjetischen Behörden erwischt und wandert in den Knast. Dort herrschen unsägliche Umstände, aber Vladek überlebt. Ihm gelingt die Flucht und mit knapper Not schafft er es zurück ins Dorf. Irgendwann werden die Bedingungen für die Schmuggler immer schlechter und sie müssen das Geschäft aufgeben. Freunde werden erwischt, andere kommen um. Vladek hat auch einen Gegner getötet und der Boden wird zu heiß für ihn. So nimmt er schließlich Abschied von der Grenze, um anderswo weiterzuleben.
Sergiusz Piasecki
Der Geliebte der Großen Bärin
Kiwi Bibliothek; 1. Edition (20. April 2018)
ISBN-10 : 3462402110
ISBN-13 : 978-3462402117
Bücher für Männer: Der Wehrwolf
Das dritte meiner Kultbücher spielt im 30-jährigen Krieg. Der Titel ist ein Wortspiel. Nicht umsonst schreibt sich der Wehrwolf mit h: Es geht um einen Bauern in der Lüneburger Heide namens Harm Wulf, der sich wehrt. Nachdem er durch Plünderung sein Heim und seine Familie verloren hat, hat er die Faxen dicke. Schon vorher hatten die Bauern begonnen sich gegen das plündernde Kriegsvolk zu wehren, aber Harm Wulf gründet eine regelrechte Organisation, die gezielt gegen die Marodeure vorgeht.
Mit dreimal elf Männern beginnt es. Weitere stoßen hinzu, sodass der Haufen schließlich auf elf mal elf Männer anwächst. Weit abgelegen, im Bruch, siedeln sich die heimatlos gewordene Bauern an. Dort gibt es eine alte Wallburg als Zuflucht. Mit der Zeit bauen sie sich auch Häuser, nehmen sogar Land unter den Pflug.
So wie sich fremdes Volk in der Nähe zeigt, geht es ihm an den Kragen. Die Bauern lassen keinen am Leben. Reguläre Soldaten werden erschossen, Räuber und Plünderer kurzerhand aufgehängt. Wo die Wehrwölfe aufgeräumt haben, hinterlassen sie ihr Zeichen, die Wolfsangel.
Die beschädigten Seelen der Wehrwölfe
Vordergründig verkraften die Männer um Harm Wulf ihr blutiges Handwerk recht gut. Als Protestanten berufen sie sich auf das Alte Testament: „Wer Menschenblut vergisst, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden…“ Ein Unrechtsbewusstsein gibt es daher nicht.
Und doch verändert das massenhafte Töten die Männer. Sie werden düsterer. Der ursprünglich stets fröhliche Harm Wulf, dessen Familie schon immer für ihr Lachen bekannt war, wird ein ernster Mann. Auch seine Nachkommen lachen nicht mehr so wie ihre Vorfahren. Wenn die Leute um Harm Wulf zwar verhältnismäßig wenig erleiden müssen, weil sie sich zu wehren wissen, herrschen doch unsägliche Gräuel um sie herum. Und das geht sicher ebenfalls nicht spurlos an ihnen vorbei.
Als nach vielen Jahren endlich wieder Frieden ist, können die Menschen es kaum glauben. Die Wehrwölfe sind zwar verhältnismäßig gut durch den Krieg gekommen, aber sie haben sich stark verändert. Mancher von ihnen kann noch nicht einmal mehr ein Tier schlachten, weil er kein Blut mehr sehen kann. Trotzdem sind sie überzeugt, recht gehandelt zu haben.
Hermann Löns
Der Wehrwolf
Omnium; 1. Edition (20. Juni 2012)
ISBN-10 : 3942378310
ISBN-13 : 978-3942378314
Drei Bücher für Männer – Drei Welten
„Alexis Sorbas“ und „Der Geliebte der großen Bärin“ spielen äußerlich in ähnlichen Welten: ländliche Gegenden in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Die Schmuggler legen sich aber im Gegensatz zu Alexis Sorbas mit der Obrigkeit an. Dabei schrecken sie auch vor Gewalt nicht zurück. Das griechische Schlitzohr geht seinen eigenen Weg jedoch auf andere Weise: Er pfeift lediglich auf Konventionen und macht es sich auf seine Weise in den herrschenden Verhältnissen so angenehm wie möglich. Ich denke dabei an zwei Bibelworte: „Sorgt euch nicht um morgen…“ (Matth 6,33) und „Was dir vor die Hände kommt, es zu tun, dass tu…“ (Pred 9,10).
„Der Wehrwolf“ wiederum hat mit dem Schmugglerroman gemeinsam, dass Männer unter dem Druck der Verhältnisse ihre Sache selbst in die Hand nehmen. Hermann Löns‘ Heidebauern im 30-jährigen Krieg konnte nicht anders, wenn sie überleben wollten. Sie wären liebend gerne bei ihrem normalen Leben geblieben.
Ob sich die Schmuggler an der polnisch-sowjetischen Grenze auch auf ehrliche Art ihr Brot hätten verdienen können, geht nicht wirklich aus der Geschichte hervor. Der Protagonist zumindest befindet sich in Existenznot, als er zu den Schmugglern stößt. Es ist aber plausibel, anzunehmen, dass die Verhältnisse dort und damals das Abrutschen in die Kriminalität zumindest stark begünstigten.
Drei Bücher für Männer – Drei Autoren
Interessant auch ein Blick auf die Autoren dieser drei Bücher für Männer: Sergiusz Piasecki in seiner Jugend – sicherlich nicht zuletzt den Verhältnissen geschuldet – kriminell und zwischendurch auch mal Geheimagent. Seine Kindheit war auch nicht gerade toll. Er saß lange im Gefängnis. Nachdem er im Zweiten Weltkrieg Widerstandskämpfer war, lebte er nach dem Krieg als Schriftsteller und antikommunistischer Publizist.
Hermann Löns wurde zwar von den Nazis glorifiziert, war aber in Wahrheit ein ziemlicher Kaputtnik. Ein Saufkopf und Studienabbrecher – der allerdings, das muss man sagen, als Journalist, Schriftsteller und Dichter erfolgreich war. Auch zu wissenschaftlicher Arbeit war er fähig, was aber nur wenige wissen. Natürlich war er ein Jäger und ein Naturliebhaber. Den einen gilt er als erster Grüner, den anderen als Wegbereiter der Nazis.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Autorem meiner Bücher für Männer ist nun Nikos Kazantzakis ein richtiger Musterknabe: Braver Schüler, als Student bereits erfolgreich mit seiner Schreibe. Er verehrt Nietzsche, trotzdem ist sein Alexis Sorbas kein Übermensch. Oder gerade doch? 😉 Kazantzakis ist ein Weltenbummler, versucht sich als Bergbauunternehmer und wird dann Politiker.
Seine Sympathie für den Kommunismus bringt im allerhand Ärger ein. Mit seiner unorthodoxen (passt hier gut, was?) Sicht auf das Christentum ärgert er die katholische und die orthodoxe Kirche. So sehr, das ihm sogar die Bestattung in geweihter Erde verweigert wird. Trotzdem ist Nikos Kazantzakis bis heute in Griechenland hoch angesehen.
Mein Favorit
Ich habe alle drei Bücher gerne gelesen. Persönlich kann ich mich jedoch am ehesten mit Alexis Sorbas identifizieren. Er hat zwar in der Vergangenheit, beim Freiheitskampf der Griechen, auch üble Gewalt ausgeübt. Er wundert sich darüber, dass er und seine Kampfgenossen dafür nicht von Gott bestraft, sondern sogar belohnt worden sind: nämlich mit der Freiheit. In der Gegenwart des Buches ist er ein friedfertiger Mensch, Lebenskünstler und guter, wenn auch etwas unzuverlässiger Kumpel. Er freut sich auch an kleinen Dingen wie einem guten Mittagessen und arrangiert sich mit den jeweiligen Umständen und bleibt sich selbst doch treu.
Jeder sollte jedoch diese Bücher selbst lesen und dann für sich entscheiden, welches ihm am besten gefällt. Oder auch nicht. Lesenswert sind sie zweifelsohne alle drei.
Costa
Interessante Bücherauswahl! Mein persönlicher Favorit ist Dune – Der Wüstenplanet.
Gruß Costa