Spaß haben oder sich zum Deppen machen?

Gerade ist ja mal wieder der Karneval, mancherorts sagt man Fasnacht, Fasching oder Fasenet, in seiner heißen Phase. Goldene Zeiten für Aufreißer oder massenhaft Gelegenheit, sich zum Brot zu machen? Wo kommt er her dieser Brauch? Und was bringt er dem Mann? Zeit, so richtig Spaß zu haben oder Ventil für arme, gebückt lebende Normalos?

Der Karneval wie wir ihn kennen, ist eine kirchliche Tradition, die ihre Wurzeln in der klassischen Antike, in Dionysos-Kulten und dergleichen hat. Seine Hochburgen finden wir in typisch katholischen Gegenden wie dem Rheinland. Reformierte Kirchen lehnen ihn ab. Nicht nur, weil er heidnischen Ursprung ist, sondern, weil man Dinge die man nicht tun soll, nie tun soll, auch nicht zu bestimmten Zeiten des Jahres.

Karneval - raus aus dem grauen Alltag
Ausbrechen aus dem grauen Alltag der meisten Männer in der Masse… Im Karneval? (Bild: Thomas8047/Lizenz: CC BY 2.0)

Man(n) selbst sein im Karneval?

Ein Mann möchte den Mann, der er ist, ausleben. Lebt er das ganze Jahr in einem Korsett von Konventionen, die er nicht aus freien Stücken einhält, sondern „weil sich das so gehört“, braucht er wohl ein Ventil. Das gilt natürlich auch für Frauen. Kirchlich begründet hat man den Karneval früher als so eine Art Negativbeispiel: Vor der Fastenzeit sollten die Leute merken wie scheiße das Sündigen, also Saufen und Rumhuren, ist. Tatsächlich ging es aber wohl eher darum, den zum wohlanständigen Leben verdonnerten Menschen ein Ventil zu bieten. Im Karneval konnte und kann man – am besten noch maskiert – das tun, was man sonst nicht durfte.

Karneval - Rosenmontagsumzug
Mal jemand anders sein: Im Karneval… (Bild: Kürschner/Lizenz: PD)

Also eine super Gelegenheit für den Mann, einmal das zu tun, was er gerne tun würde, aber sonst eben nicht tut? Sich als das verkleiden, was man eigentlich gerne wäre: Cowboy, Pirat, Höhlenmensch oder was auch immer? Willige Weiber abschleppen und/oder saufen bis der Arzt kommt?

Das wirft natürlich die Frage auf, warum man(n) nicht das ganze Jahr tut, was man(n) gerne tut. Man könnte es auch überspitzt ausdrücken: Eigentlich sind das ja bedauernswerte Gestalten, die den Karneval – und womöglich noch Alkohol satt – brauchen um Spaß zu haben und ihr eigenes Ich zu leben. Mir jedenfalls kommt es ziemlich arm vor.

Narren dürfen die Wahrheit sagen

Der Hofnarr war früher ein wichtiger Mann. Er diente weniger zur Unterhaltung, sondern als eine Instanz, die dem Herrscher das sagen dürfte, was zu sagen seine Hofschranzen sich nicht trauten oder nicht durften. Das ist die sogenannte Narrenfreiheit.

Diese Narrenfreiheit findet sich auch im Karneval. Die Büttenreden sind ja nichts anderes als Satire, welche die Mächtigen aufs Korn nimmt. Gehalten von honorigen Männern, die sonst funktionieren, sich aber einmal im Jahr die Narrenkappe aufsetzen, um zu sagen, was sie tatsächlich denken. Eine Gelegenheit für die Öberen also, mal zu erfahren, wie sie bei den Leuten wirklich ankommen. Vielleicht auch gar eine Gelegenheit, sich diejenigen zu merken, die Dinge denken, die man nicht denken soll?

Und warum muss man eigentlich den Deppen geben, um sagen zu dürfen, was man denkt? Weil man blöd genug ist, zu sagen, was alle denken, sich aber wohlweislich nicht zu sagen trauen?

karneval - Hofnarr
Büttenredner sind sozusagen die Nachfahren der Hofnarren… (Bild: Historisch)

Und es muss auch Frage erlaubt sein, ob Meinungsfreiheit und freie Rede nur zu einer bestimmten Zeit des Jahr gelten? Sollten die Herrschenden nicht das ganze Jahr dem Volk aufs Maul schauen? Sind sie nicht dem Volk, das sie gewählt hat, verpflichtet? Die Rückkopplung durch Meinungs- und Redefreiheit ist ein wichtiges Regulativ in der Demokratie. Und zwar das ganze Jahr.

Aufreissen im Karneval?

Vordergründig ist der Karneval natürlich eine super Gelegenheit, um Frauen abzuschleppen. Überall Faschingsbälle mit Tanz und Frauen, die einem Abenteuer nicht abgeneigt sind. Ein Dorado für den Mann, der auf der Jagd ist?

Sicherlich finden sich im Karneval gewisse Chancen, die man den Rest des Jahres nicht hat. Allerdings gibt es für den ambitionierten Aufreißer auch den Rest des Jahres über Gelegenheiten genug. Erst mal reißt der Könner immer und überall auf. O. k., das wird ab einem gewissen Alter zunehmend problematisch. Ganz einfach deswegen, weil die Wahrscheinlichkeit mit dem Alter zunimmt, dass eine beliebige Frau im eigenen Alter, die man anspricht, bereits gebunden ist. Dafür gibt es aber nicht nur im Karneval Ü30-Parties, Bälle der einsamen Herzen und Tanzschuppen für Leute, die das schnelle Abenteuer suchen.

Karneval - Pieter Breughel Gemälde
So sah Pieter Breughel der Ältere den „Kampf des Karnevals gegen das Fasten“. (Bild: Historisch)

Hormonspiegelsenkungen braucht man(n) nicht nur im Karneval. Wäre ja übel, wenn man(n) den Rest des Jahres notgeil herumlaufen müsste. Und verheiratete Frauen mit temporärer karnevalistischer Lizenz zum Fremdvögeln? Pfui Deibel! Schon aus moralischen Gründen ein NoGo für mich. Man(n) bricht nicht in fremde Ehen ein, auch nicht in fragwürdige. Und auch nicht quasi auf Einladung des Ehemannes.

Karneval und Partnerschaft

BTW: Es gibt ja eben offenbar Paare, bei denen die Treue im Karneval an der Garderobe abgegeben wird. Da ist dann alles erlaubt. Für ihn und auch für sie. Klingt ja auf den ersten Blick verlockend: In einer tollen Beziehung leben, aber trotzdem auf geile Abenteuer nicht verzichten zu müssen.

Abgesehen davon, dass es interessant wäre, einmal zu sehen, was in so einer tollen, liberalen Partnerschaft passiert, wenn sie aus dem Fasching ein Kind oder auch „nur“ einen Tripper mitbringt. Und wie man das dann den Kindern erklärt.

Partnerschaft - Mann und Frau
Wenn das richtig funktioniert – braucht’s dann noch Freiheiten im Karneval? (Bild: Foto auf Pixnio/Lizenz CC0)

Nun ist es halt leider (oder Gott sei Dank?) so auf dieser schnöden Welt, dass man sein Stückchen Kuchen nicht gleichzeitig aufessen und behalten kann. Auch nicht im Karneval. Ich lasse mich jetzt mal zu einem Urteil hinreißen: In einer Beziehung, in der man sich nicht das ganze Jahr treu sein kann, ist sowieso der Wurm drin.

Wenn ich das habe, was ich als Gefährtin auf Augenhöhe bezeichne, brauche ich keine anderen Frauen zu bumsen. Auch nicht im Karneval. Das ist für mich keine Theorie aus dem Nähkästchen der Superchristen, sondern praktische Erfahrung. Wenn ich hingegen eine dürftige Behelfsbeziehung habe, die Wünsche offen lässt, habe ich diese Wünsche nicht nur in der fünften Jahreszeit, sondern auch in den vier anderen. So einfach ist das.

A man has to do what a man has to do… Und zwar das ganze Jahr und nicht nur im Fasching. Anders ausgedrückt: Karneval ist nicht mein Ding. Aber das kann jeder halten wie er will.

Noch ein Wort zum Alkohol

Jetzt muss ich aber auch noch einmal wieder den warnenden Zeigefinger ausklappen: Jungs, sauft nicht, wenn ihr mit dem Auto oder dem Bike da seit. Überhaupt nicht – und im Karneval schon dreimal nicht. Das ist genauso brandgefährlich wie in der Adventszeit. Wenn ihr schon saufen müsst, dann macht das, wenn ihr zu Fuß da seit.

Alkohol - Unfall
So kann (nicht nur) eine Faschingsparty enden, wenn Alkohol im Spiel ist… (Bild: Pressefoto Polizei Westpfalz)

Es geht hier nicht nur um den Führerschein. Ohne den ist ja bekanntlich sowieso das ganze Jahr Aschermittwoch. Das ist aber das kleinere Übel. Schlimmer ist es, wenn man besoffen jemanden tot oder zum Krüppel gefahren hat. Damit muss einer (oder eine, denn das gilt natürlich auch für die Frauen) den ganzen Rest seines Lebens klarkommen. Ich bin heilfroh und danke dem lieben Gott, dass mir das in meiner dümmlichen Jugendzeit nicht passiert ist. Heute weiß ich, dass das scheiße war, dass ich bedenkenlos besoffen gefahren bin.

Und ich bin froh, dass das bei den Kids von heute anscheinend ein Stück weit aus der Mode gekommen ist. Jedenfalls hab ich das bei meinem Junior und seinen Kumpels beobachtet.

Aber übrigens: Wer sich – ob im Karneval oder im Rest des Jahres – gerne hersäuft oder sonst wie zudröhnt, dem sage ich eins: Es gibt weitaus geilere Kicks als Alkohol oder sonstige Rauschgifte. Zum Beispiel Motorradfahren – dafür verzichte ich leichten Herzens auf Freund Jackie und Konsorten. Auch auf der Jagd Beute zu machen, ist ein Wahnsinnsgefühl. Besser als Gunja. Wenn man mit Waffen hantiert, ist sowieso eine klare Birne Pflicht. Und auch der Fettab- und Muskelaufbau funktioniert mit Sprit im Blut nicht so besonders.

Aber das sind schon wieder andere Geschichten…