Oder: Wie wird man glücklich in einer beschissenen Welt?
Die Red Pill zu nehmen ist im Netz ein Begriff dafür, dass man die Lügen durchschaut, mit denen wir in dieser Welt tagtäglich beaufschlagt werden. Red Piller nehmen für sich in Anspruch, die verborgenen gesellschaftliche Mechanismen erkannt zu haben, mit denen wir manipuliert werden. Dabei geht es ursprünglich um Männerrechte, denn der Ausdruck hat seinen Ursprung im Bereich der militanten Männerrechtler. Als Red Piller nimmt man aber ganz allgemein für sich in Anspruch, Zugang zu Wahrheiten zu haben, die anderen verborgen sind, und dazu wissen, wie wir ganz allgemein manipuliert werden.
Der Ausdruck „Red Pill“ leitet sich von einer Schlüsselszene in dem Film „Matrix“ ab: Der Protagonist muss sich entscheiden, ob er die rote oder die blaue Pille nehmen will. Die Red Pill lässt ihn aus der Illusion erwachen, mit der er manipuliert wird und die ihn fremdbestimmt leben lässt. Die Blue Pill bewirkt, dass er weiterhin diesen Illusionen aufsitzt und ihm ein selbstbestimmtes Leben unmöglich ist.
Die offizielle Lesart stellt die Red Pill in den Bereich der Truther und Verschwörungstheoretiker, letztendlich in die rechte Ecke. Tatsächlich stammt der Begriff auch aus der amerikanischen Alt-Right-Szene, von den Neuen Rechten also. Nun ist das Hinterfragen gesellschaftlicher Mechanismen aber nicht per se eine Sache der Rechtsextremen. Ich war in meiner Jugend dem Zeitgeist entsprechend ein Ultralinker, sogar ein Anarchist. Und ich hatte damals, vor 40 und mehr Jahren, ähnliche Gedanken wie die heutigen Red Piller: Man wurde überall beschissen und ausgebeutet, alle anderen, die das nicht merkten, waren vollständige Idioten. Als „Durchblicker“ – so meine Philosophie – durfte man jederzeit auf Kosten der bürgerlichen Idioten leben und sich nehmen, was man haben wollte.
Folgen der Red Pill
Die konsequente Verfolgung und praktische Anwendung meiner „Erkenntnisse“, führte mich jedoch letztendlich in eine Sackgasse: Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich im Grunde ein nichtssagender, asozialer, wenn nicht sogar krimineller Bursche war. Ich stürzte damals psychisch in ein schwarzes Loch, aus dem ich mich nur wieder herausarbeiten konnte, in dem ich mich neu erfand.
Ich ich nahm daher sozusagen zunächst einmal die Blue Pill, in dem ich alles so akzeptierte wie es war. Natürlich bekam ich damit zunächst wieder Wasser unter den Kiel, weil ich nicht mehr ständig aneckte. Tatsächlich kann man ja auch einigermaßen leben, wenn man tut, was von einem erwartet wird: Arbeiten, konsumieren und ansonsten den Mund halten.
Erkenntnisse und Ausgewogenheit
Natürlich ging das nicht immer so weiter. Wirklich erfolgreich wird man mit der Blue Pill nämlich auch nicht: Wenn man das tut, was alle tun, erreicht man auch das, was alle erreichen. Und das ist nicht unbedingt besonders viel.
Mein unvergessener Lehrmeister, der Herr Mechanikermeister Leonhard Eckle, pflegte zu sagen, dass man nicht gegen den Strom schwimmen kann. Das ist eine der wenigen Lebensweisheiten, die ich an ihm zu kritisieren habe. Dass nur tote Fische mit dem Strom schwimmen, stimmt aber auch nicht ganz: Lebendige Fische schwimmen nämlich mal mit und mal gegen den Strom. Und natürlich muss man gegen den Strom schwimmen, wenn man zu den Quellen gelangen will.
Die Kunst im Leben besteht nur darin, zu erkennen, wann man mit und wann man gegen den Strom schwimmen muss. Also weder die Red Pill noch die Blue Pill zu nehmen. Oder meinetwegen mal die eine, mal die andere. Es ist zum Beispiel nicht besonders sinnvoll, nackend herum zu laufen, bloß weil alle anderen angezogen sind und man partout nicht tun will, was alle machen. Zu erkennen, dass man etwas tun muss, um etwas zu bekommen hingegen ist per se ja auch nicht schlecht, auch wenn es die Meinung der meisten Menschen ist. Ein bisschen Blue Pill in allgemeinen Dingen kann also nicht schaden: Es gibt Dinge, die man so macht wie man sie eben macht, weil es so funktioniert.
Ein bisschen Red Pill zur rechten Zeit?
Hinzunehmen, dass man bei Arbeit und Konsum gnadenlos ausgebeutet bzw. abgezockt wird, ist jedoch nicht sinnvoll. Hier bringt gewissermaßen die Red Pill einen Lösungsansatz: In ihrem Sinne ist es, zu erkennen, dass das so ist. Entscheidend ist aber, den richtigen Schluss daraus zu ziehen. Hier jetzt darüber zu jammern, dass einem das System keine Chance ließe, bringt dich nicht weiter. Außer, es ist dein Ding, Arbeit und auch Konsum – letzteren mit Ausnahme von dem von Alkohol & Fernsehen – zu verweigern und in einer Bruchbude an einem „Sozialen Brennpunkt“ mit Hartz IV vor dich hin zu vegetieren.
Natürlich muss man die Mechanismen erkennen, die verhindern, dass wir so leben, wie wir das wollen. Wichtig ist aber, ebenfalls zu erkennen, ob und in welchem Umfang man sie umgehen oder sogar für sich arbeiten lassen kann. Zunächst musst Du erkennen, dass nun mal ausgebeutet wird. Du solltest aber auch herausfinden, dass der Umfang dieser Ausbeutung gewissermaßen verhandelbar ist. Und zwar umso mehr, je mehr Verhandlungsmasse du besitzt. Und diese Verhandlungsmasse heißt Wissen und Können: The more you learn the more you earn.
Für eine höhere berufliche Qualifikation gibt es von vornherein schon mal mehr Geld. Je höher eine berufliche Qualifikation, desto seltener sind aber auch die Leute, die sie besitzen. Du bist also in einer besseren Verhandlungsposition wenn du mehr weißt und kannst, als der Durchschnitt, denn dann ist die Auswahl, die der potentielle Arbeitgeber hat, geringer. Im besseren Job wirst du zwar auch ausgebeutet, aber es tut nicht so weh, wenn der Job Spaß macht und ordentlich was in der Lohntüte ist. Du kannst das System der Ausbeutung sogar für dich wirken lassen, indem du Unternehmer wirst und andere für dich arbeiten lässt.
Red Pill und Konsum
Ähnlich bzw. analog verhält es sich beim Konsum: Die Red Pill lässt dich erkennen, dass du für Dinge bezahlst, die du nicht brauchst. Damit du mehr Geld brauchst und mehr arbeitest oder gar Schulden machst, die dich dann vollends versklaven. Wenn du dir nun deswegen überhaupt nichts mehr kaufst, macht das Leben aber auch keinen Spaß. Natürlich macht es genauso wenig Spaß, wenn du zwar die tollsten Dinge besitzt, dafür aber Tag und Nacht schuften musst und dazu ständig rechnen, wie du die nächsten Raten bezahlen sollst.
Was ist hier die Lösung? Natürlich wieder der klare Blick: Brauchst du unbedingt ein nagelneues Auto, dass du nicht bar bezahlen sondern nur leasen kannst bzw. für das du einen horrenden Kredit aufnehmen muss? Quatsch. Brauchst du nicht. Notfalls tut’s eine alte Karre für ein paar Hunert Euro auch, solange sie noch TÜV hat.
Und zwischen diesen beiden Extremen gibt es jede Menge Zwischenmöglichkeiten, aus denen du dir etwas aussuchen kannst. Zum Beispiel einen Preis, den du bar bezahlen kannst und dafür ein Auto, das in etwa deinen Wünschen entspricht. Was andere über deine alte Karre denken, kann dir egal sein. Wichtig ist, dass deine Bedürfnisse mit dem geringsten möglichen Aufwand erfüllt worden sind. Dazu musst du lediglich selbstbewusst genug sein – und das kann man wiederum lernen.
Dein Leben als Mann
Der Ursprung der Red Pill liegt ja bei den Männerrechtlern. Dabei geht es um gesellschaftliche Mechanismen, die den Mann daran hindern als Mann zu leben. Na, sowas! Interessiert uns das? Nein, tut es nicht. Red Pill hin, Blue Pill her: Wenn du leben willst wie ein Mann, dann lebst du eben wie ein Mann. Wozu hier rumanalysieren? Die Gefahr dabei ist, dass man sich dabei doch nur in seinem Elend suhlt und nichts ändert.
Wer kann dich zwingen, ein Softie und Frauenversteher zu sein wie es die Gesellschaft will? Genau niemand. Du kannst jederzeit Deinen eigenen Weg gehen. Sei ein Gentleman, akzeptiere Frauen als die wunderbaren, faszinierenden und dem Manne eher noch ein wenig überlegene Wesen, die sie sind und klopfe ruhig freche Macho- und Chauvi-Sprüche. Sie werden dich dafür lieben und es dir vielleicht sogar sagen. Was sie dabei vielleicht nicht sagen: Sie lieben dich, weil du zwar den Macho und Chauvi gibst, tatsächlich jedoch ein wunderbarer Mann bist, der weiß, was eine Frau ist und sie dementsprechend wertschätzt.
Braucht es Geld und Macht?
Die Philosophie der Red Pill suggeriert, dass nur Männer mit Macht und Geld Erfolg bei Frauen haben könnten. Das ist falsch. Macht und Geld können, genauso wie gutes Aussehen, helfen, das stabile Selbstbewusstsein und die Selbstachtung zu erlangen, welche den eigentlichen Schlüssel zum Erfolg bei Frauen darstellen.
Letztendlich kommt es aber lediglich auf diese innere Harmonie an, die erlangst, wenn du dir die entsprechende Geisteshaltung erarbeitest. Das tust du, wenn du dein Ding machst und mit deiner Welt in Harmonie bist. Ob dieses, dein Ding nun Straßenmusik ist oder der Aufbau und die Führung eines Konzerns, ist eher nebensächlich.
Sei ein Mann und kein Red Piller
Es ist schon wahr, dass unser Erziehungssystem verhindern will, dass aus Jungs Männer werden und aus Mädels Frauen. Letztendlich bist jedoch Du verantwortlich: Lebe deinem Sohn vor, was ein richtiger Mann ist. Dann kann ihm Gender Mainstreaming im Kindergarten und in der Schule nicht allzu viel anhaben. Wenn du es wert bist, wird er sich an dir orientieren und nicht an irgendwelchen substanzlosem Geschwätz.
Sei also ein Mann. Dazu musst du dich nicht in 1001 YouTube-Video aufklären lassen, wer, warum und wie andere dafür sorgen, dass du kein Mann sein kannst und dich dann darin suhlen, dass es dir unmöglich gemacht wird, einer zu sein. Davon wirst du nämlich ganz sicher keiner. Die Red Pill liefert dir bei Bedarf letztendlich Ausreden dafür, warum Du nicht das tust, was du eigentlich tun möchtest.
Du erschafft die Welt, indem du sie wahrnimmst. Deine Welt ist das, was du daraus machst. Mit der Red Pill wirst du leicht ein Weltverbesserer: Du siehst genau, was falsch ist und weißt, wie es richtig sein sollte. Daran geilst du dich dann auf, aber kommen tust du zu nichts. Wenn du ein Weltverbesserer sein willst, dann verbessere deine eigene Welt. Das kannst du nämlich. Du musst es lediglich tun. Glaube mir, ich habe beides probiert und muss immer noch daran arbeiten, ein Weltverbesserer zu sein, der seine eigene Welt verbessert statt über die beschissenen äußeren Umstände zu lamentieren und zu sinnieren wie was sein sollte, könnte, müsste….
Red Pill für Jammerlappen und Erfolgsfetischisten
Vielleicht kann der eine oder andere sich damit interessant machen, dass er die Welt erklären kann, weil er die Red Pill genommen hat. Ich kann das aber nicht. Kluge Kritik und Verbesserungsvorschläge mögen ja zunächst interessant klingen. Tatsächlich ist Schimpfen auf die böse Welt aber auch nichts anderes als eine Spielart des Jammerns. Und Jammern macht unattraktiv.
Attraktiv wird man, wenn man, wenn man die Dinge so macht, wie man sie haben will. Seinen Weg als Mann geht und sich keinen Unfug einreden lässt. Wenn jemand unbedingt will, dass du etwas tust bzw. dich auf eine bestimmte Art und Weise verhältst, überlege dir einfach, wem das etwas nützt: Dir oder ihm? Dazu musst du keine Red Pill genommen haben.
Man(n) kann nun aber auch den Weg zum Erfolg bei Frauen gehen, den die Red Pill als den richtigen sieht: Körperlich stark, gut aussehend, reich und mächtig werden. Das wird zwar sicher funktionieren, aber es ist eben nicht jedermanns Sache. Immerhin gerätst du da in der heutigen Geschäftswelt in Gefahr, eine Ellenbogenmentalität zu entwickeln, womöglich über Leichen zu gehen. Kannst du das? Willst du das?
Du kannst es nicht? Bist ein erfolgloser Red Piller? Dann schluckst du die Black Pill: Du erkennst, dass du es nie schaffen wirst, Erfolg bei Frauen zu haben und findest dich damit ab, eine incel, ein involontary celibacy, ein unfreiwillig im Zölibat lebender zu sein. Was ein Scheiss!
Ein erfolgreicher Red Piller hingegen ist ein Siegertyp. Wo es Sieger gibt, gibt es aber auch Verlierer. Nicht jeder kann sich durchsetzen. Der Erfolg mit der Red Pill ist daher unsicher, durchaus sogar Glückssache. Der Weg der Harmonie mit sich selbst und seinem sozialen Umfeld hingegen steht jedem offen.
Mein Fazit zur Red Pill
Mal einen Blick auf die Welt der Red Piller zu werfen, mag sich lohnen. Damit du verstehst, dass und wie Regierung, Bildungssystem und Firmen, aber auch gewisse soziale Mechanismen versuchen, dich klein zu halten. Es ist aber nicht gut, daraus eine Ideologie oder gar eine Lebensphilosophie zu machen.
Eine zu tief gehende Beschäftigung mit negativen Aspekten nimmt dir auch Zeit weg, die du besser in Positives, nämlich deine eigenen, selbst gesteckten Ziele investierst. Oder lässt dich gar resignieren und die Black Pill nehmen. Oder gar ein Frauenhasser werden, das Schlimmste, was einem Mann in dieser Hinsicht passieren kann.
Wenn du dich im konkreten Einzelfall jedes Mal fragst, was du willst und was für dich als den Mann, der du bist und sein willst, gut ist, wirst du Schritt für Schritt deinen eigenen Männerweg finden. Du brauchst ihn dann lediglich auch noch tatsächlich zu gehen. Und keine Black, Blue oder Red Pill.
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